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Aktualität

2016/07/05
Diversifikation hat höchste Priorität

Herr Liew, berücksichtigen Sie bei der Zusammensetzung eines Portfolios auch ETFs?

Wir verwalten Portfolios für internationale Kunden und sind dabei flexibel, wie wir eine Anlagestrategie umsetzen. Wenn wir zum Beispiel in Vietnam investieren wollen und keinen besseren Weg finden, können wir auch via ETFs investieren.

Gibt es an der Börse von Singapur ETFs?

Ja, es gibt eine Reihe davon an der Singapore Exchange. Die Bedeutung dieser Produktkategorie nimmt zu.

Die ETF-Industrie hat in Asien aber noch nicht so viele Produkte ausgerollt. Es gibt auch in Asien eine ETF-Welle, aber die Nachfrage ist noch nicht so hoch. Vom Charakter her sind viele Asiaten in Bezug auf ihre Investitionen eher Spielernaturen.

Wie wichtig sind diese Produkte für Ihre Anlagepolitik?

Der Einsatz eines ETF hängt vom einzelnen Markt ab. Nach meiner Meinung machen ETFs für gewisse Sektoren Sinn. Das gilt vor allem für entwickelte und liquide Märkte. In den Emerging Markets bin ich aufgrund der Zusammensetzung der einzelnen Indizes von ETFs nicht überzeugt. In Asien sind sie zum Teil teuer und oft nicht die beste Lösung.

Und wie stark nutzen Sie klassische aktiv verwalteten Fonds?

Die Diversifikation eines Portfolios geniesst bei uns höchste Priorität. Wenn diese Diversifikation wegen eines zu geringen Anlagevermögens nicht möglich ist, macht der Einsatz von aktiven Anlagefonds Sinn.

Entwickelt sich die Wirtschaft in Singapur unabhängig von der Konjunkturentwicklung in China?

Nein, wenn China niesst, kriegt der Rest in Asien eine Erkältung. Die Staaten in Asien sind stark von der konjunkturellen Entwicklung in China abhängig. Aber es gibt keinen politischen Einfluss seitens der chinesischen Regierung auf Singapur. Mit 4,5 Millionen Einwohnern ist Singapur recht klein und die Wirtschaft ist aufgrund des beschränkten Binnenmarktes stark exportabhängig, also von der Konjunktur-Entwicklung in der ganzen Welt. Wenn es global nicht gut läuft, dann wird es auch für Singapur schwierig.

Ist Singapur vor allem ein Financial Hub oder ein relevanter Aktienmarkt?

Während Hongkong eher ein Platz für die Investment-Banken ist, hat sich Singapur als Standort für das Private Banking etabliert. Dadurch ist Singapur in erster Linie ein Financial Hub, viele regionale Headquarter sind hier stationiert. Der Aktienmarkt nimmt aber an Bedeutung zu und gehört technisch zu den führenden in der Region. Es sind Unternehmen aus Indonesien, Malaysia und anderen Staaten in Singapur kotiert. Der Markt hat jedoch ein Problem mit seiner Basis, da viele lokale Unternehmen in Singapur noch nicht für einen Börsengang bereit sind. Ein grosser Teil der Firmen befindet sich noch in privater Hand. Als Vertreter der CFA-Gesellschaft bin ich Mitglied im Listing Adivsory Committee der Singapore Exchange. Diese Kommission versucht, die Möglichkeiten weiter zu verbessern und Unternehmen für einen Börsengang zu motivieren.

Wieso bringen Kunden das Geld zu Ihnen - und nicht zu einer internationalen Grossbank?

Während die Grossbanken bis zu einem gewissen Grad mit standardisierten Produkten und Dienstleistungen agieren, offerieren wir jedem Kunden einen individuellen und persönlichen Service sowie eine massgeschneiderte Anlagestrategie.

Worin liegen die Vorteile eines Bankkontos in Singapur?

Da geht es um einen globalisierten Approach. Grundsätzlich hängt es davon ab, wo der Inhaber eines Portfolios seinen Wohnsitz hat. Kunden möchten mit einer Kontoeröffnung in Singapur näher an den asiatischen Märkten sein, sich direkten Zugang verschaffen und in der Zeitzone von Asien aktiv handeln. Europäer verpassen zum Beispiel den ganzen Handel in Japan.

Empfehlen Sie asiatischen Kunden auch, ein Konto in der Schweiz zu eröffnen?

Das ist abhängig von den generellen Erwartungen eines Kunden. Wenn er beispielsweise ein Kind in die Schweiz oder nach Grossbritannien zur Schule schicken will, ist ein Konto in Europa sinnvoll.

Verfolgen Sie, was in Europa vorgeht?

Natürlich. Einerseits haben wir die Besorgnis über die grossen Flüchtlingsströme natürlich auch mitbekommen. Auf der anderen Seite achten wir bei der Zusammenstellung eines Kundenportfolios genau, was in Europa, den USA und in Asien vor sich geht.

Wie sehen Sie die Zukunft für REYL in Singapur?

Gegenwärtig ist das Umfeld eine Herausforderung. Die tief hängenden Früchte wurden schon gepflückt. Es gibt zwar immer noch Wachstum, aber es braucht mehr Aufwand. Die Private-Banking-Industrie hat in den letzten Jahren enorm expandiert, was derzeit zu einer Konsolidierung führt. Bankhäuser aus Frankreich wie Société Générale oder Grossbritannien wie Barclays haben sich wieder verabschiedet und ihr lokales Geschäft verkauft. Auch die Schweizer Grossbanken bauen momentan Personal ab. Jetzt zählt wieder die Bottom Line und weniger die Top Line: Es geht nicht mehr einfach nur darum, Wachstum und Marktanteile zu gewinnen, jetzt müssen auch die Renditezahlen stimmen.

Haben Sie uns einen Geheimtipp für eine erfolgreiche Anlage?

Ich liebe den japanischen Markt, obwohl er in den letzten zwölf Monaten zu den schlechtesten gehörte. Inzwischen haben fast alle ausländischen Investoren ihre Anteile in Japan verkauft. Wir sehen nun bei einzelnen Aktien grosses Potenzial. Die Entwicklung des Nikkei-Index ist nicht massgebend, er schwankt stark. In diesem Markt ist Stockpicking entscheidend, langfristig werden fundamental gut arbeitende Unternehmen zu den Gewinnern gehören.

Interview von Thomas J. Caduff